Mit Horst Köhler verliert Afrika einen Fürsprecher und Freund

Im Alter von 81 Jahren starb am 01. Februar der ehemalige deutsche Bundespräsident Horst Köhler. Der Ökonom wollte ein unbequemes Staatsoberhaupt sein und ermahnte oft die Parteien, ihren Zank einzustellen – und das kam ausgesprochen gut an beim Souverän. Köhler stammte aus kleinen Verhältnissen, war Flüchtling und arbeitete sich bis an die Spitze auch internationaler Organisationen wie etwa dem IWF hoch. Der ungemein populäre Bundespräsident konnte zuhören, war nahbar und wollte sein Gegenüber verstehen. Köhler ging es um die Menschen und insbesondere widmete er sich auch über seine Amtszeit hinaus den Menschen in Afrika.

Bereits zwischen 2000 und 2004, während seiner Amtszeit als achter Direktor des Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), reiste Köhler mehrfach nach Afrika und setzte sich dafür ein, die Armutsbekämpfung dort zu einer zentralen Aufgabe des Fonds zu machen. Er betonte, dass der Westen lernen müsse, „zuzuhören“ und afrikanischen Ländern mehr Mitspracherecht bei der Gestaltung von Reformen einzuräumen – eine Forderung, die er unter anderem während einer Reise nach Mali – eines der ärmsten Länder der Welt – im Januar 2001 bekräftigte. Man kann sagen, dass Afrika Köhler die Augen öffnete, er hatte sein Thema fürs Leben gefunden.

Der Mahner Köhler korrigiert das Afrikabild

Als 2004 die Nachfolge von Bundespräsident Johannes Rau anstand, präsentierten die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle überraschend den IWF-Direktor Horst Köhler als Kandidaten der Opposition, ein veritabler Coup, denn der Bauernsohn Köhler, der niemals ein Parteiamt inne hatte, war einer größeren deutschen Öffentlichkeit nahezu unbekannt – und wurde am 23. Mai 2004 dennoch von der Bundesversammlung als neunter Bundespräsident bestätigt.

Köhler interpretierte seine Rolle gänzlich anders als seine Vorgänger, die im Gegensatz zu ihm Berufspolitiker waren. Und er setzte ganz neue Themen. Afrika etwa, von Anfang an. Bereits in seiner Antrittsrede widmete er sich unserem Nachbarkontinent:

„Für mich entscheidet sich die Menschlichkeit unserer Welt am Schicksal Afrikas. Ist es nicht eine Frage der Selbstachtung Europas, sich – mit Blick auf unsere eigenen Fundamente, unsere Werte und Geschichte – in Afrika ehrlich und großzügig zu engagieren – ist das nicht eine Frage der Selbstachtung Europas?”

  • Bundespräsident Köhler beließ es aber nicht bei Prosa, sondern besuchte während seiner Amtszeit mehrere afrikanische Länder. Im Dezember 2004 hielt er eine Rede vor der Afrikanischen Union in Addis Abeba, Äthiopien, in der er die Bedeutung einer fairen Partnerschaft zwischen Europa und Afrika betonte.
  • Er unternahm 2006 eine Reise nach Namibia, wo er den scheidenden Präsidenten Pohamba traf und die demokratischen Fortschritte des Landes würdigte. Im selben Jahr besuchte er Ghana und kündigte einen Schuldenerlass von 270 Millionen Euro an.
  • Er unterstützte afrikanische Anliegen mit seinem Einsatz für eine gleichberechtigte Partnerschaft.
  • Er initiierte die „Partnerschaft mit Afrika“, die Staatsoberhäupter, Unternehmer, Intellektuelle und Studierende aus Afrika und Europa zu einem Dialog auf Augenhöhe zusammenbrachte. Er kritisierte sowohl Europas Vernachlässigung Afrikas als auch sensible Themen in der afrikanischen Politik, einschließlich Korruption, und erlangte dadurch breite Anerkennung in Afrika.

Köhler ging es darum, die Wahrnehmung Afrikas zu verändern. Er machte im Westen spätkoloniales Denken aus und beklagte bei einer Preisverleihung an den nigerianischen Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka, der als vielleicht bester Schriftsteller Afrikas gilt, Klischees und eine Berichterstattung, die Afrika vorwiegend als Krisen- und Katastrophen-Kontinent darstellt.

Afrika beschäftigte ihn über das Amt hinaus

Noch am Vortag seines Rücktritts Ende Mai 2010 präsentierte Köhler das von ihm herausgegebene Buch „Schicksal Afrika“, das mit Beiträgen von besagtem Wole Soyinka oder Südafrikas ehemaligen Präsidenten Thabo Mbeki aufwartete und seine Forderung nach einer fairen Partnerschaft mit Afrika unterstrich, die aus seiner Sicht auch das Ende der Ungerechtigkeiten in europäischer Handels- und Agrarpolitik voraussetzt.

Amt hin oder her, seinem Engagement blieb er treu und setzte die Themen Afrika, Entwicklung und Zusammenarbeit (auf Augenhöhe) weiter auf die Agenda, etwa bei einer Rede 2013 beim Deutschen Afrikaverein anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Afrikanischen Union. Köhler, nun Privatmann, sprach sich dafür aus, Afrika als große Chance zu begreifen.

Seine Expertise stellte er danach vielen Organisationen zur Verfügung, darunter die Vereinten Nationen, die Afrikanische Entwicklungsbank oder der Afrikaverein der deutschen Wirtschaft.

  • UN-Sonderbeauftragter für den Westsahara-Konflikt: Von 2017 bis 2019 fungierte Köhler als Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs für den Westsahara-Konflikt. In dieser Rolle bemühte er sich, die Verhandlungen zwischen Marokko und der Polisario-Front wiederzubeleben, um eine friedliche Lösung für die Region zu finden.
  • Mitglied des Hochrangigen Panels der Vereinten Nationen: Zwischen 2012 und 2013 war Köhler Mitglied des Hochrangigen Panels der Vereinten Nationen zur Post-2015-Entwicklungsagenda. Dieses Gremium erarbeitete Empfehlungen für die globalen Entwicklungsziele nach 2015, die schließlich in die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung mündeten.
  • Co-Vorsitzender des Sonder-Panels der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB): Ab 2016 leitete Köhler gemeinsam mit dem ehemaligen aus Ghana stammenden UN-Generalsekretär Kofi Annan ein Sonder-Panel der AfDB. Ziel dieses Gremiums war es, die Umsetzung der Zehnjahresstrategie der Bank zu beschleunigen und Entwicklungsprojekte in Afrika voranzutreiben.
  • Redner und Fürsprecher für Afrika: Köhler blieb ein gefragter Redner zu afrikanischen Themen. So hielt er beispielsweise 2015 eine eindrucksvolle Rede bei der Veranstaltung „African Rhapsody“, in der er für eine ehrliche und partnerschaftliche Beziehung zwischen Deutschland und Afrika plädierte.

Horst Köhlers Ruf als Freund Afrikas beruhte jedoch weniger auf der Anzahl seiner Funktionen oder Besuche, sondern vielmehr auf seinem tiefen Verständnis für die Herausforderungen des Kontinents und seinem beständigen Einsatz für dessen Belange.

Am 01. Februar in der Frühe verstarb Horst Köhler im Alter von 81 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit. Wir nehmen Abschied von einem Mann, der es trotz widriger Umstände in höchste Ämter schaffte und Institutionen prägte, dabei unabhängig und selbstlos agierte und stets seine Mitmenschen im Blick behielt. Afrika verliert einen großen Freund.

P.S.: Horst Köhler hat sich oft zu Afrika geäußert. Wer mehr über seine Gedanken zum “kreativen Kontinent” erfahren möchte, dem sei eine Auswahl seiner Reden empfohlen:
https://www.horstkoehler.de/afrika/


Timo Schäfer

Beitrag von

Timo Schäfer

in EWIA allgmein