Wie Afrika und Europa gleichermaßen von “grünen Deals” profitieren können

Seit jeher sind Afrikas Ressourcen begehrt in aller Welt, der Kolonialismus war der Höhepunkt der Ausbeutung und der einseitigen Vorteilsnahme. Während die Nachfrage nach Öl, Gold, Diamanten, Uran, Coltan, Kobalt, Ackerland etc. nicht abreißt, richtet sich das Interesse der Welt allerdings zunehmend auch aus anderen Gründen auf Afrika. Der Kontinent verfügt über ca. 40 % des globalen, bislang ungenutzten Potenzials an erneuerbarer Energie, was es zu einem zentralen Akteur für die Dekarbonisierung macht.
In Südafrika, Tunesien, Marokko (siehe Handelsblatt-Artikel) oder in Namibia werden beispielsweise im Projekt Hyphen Hydrogen Energy derzeit viele Milliarden US-Dollar investiert, um mit Hilfe von Solar-, Wasser- und Windkraftanlagen grünen Wasserstoff zu produzieren, der als Ammoniak gebunden nach Europa transportiert werden soll.
Ein aktueller Bericht der Africa-Europe Foundation, die wiederum von der Mo Ibrahim Foundation gegründet wurde, weist nun auf die Chancen hin, die diese sogenannten “grünen Deals” bieten, um die Gesellschaften zu entwickeln. Theoretisch haben sich hier zwei Partner gefunden, die ihre Probleme mit Hilfe des jeweils anderen lösen können.
Europas Interesse und Afrikas Chancen
Europa steht unter Druck, seine Klimaziele zu erfüllen und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren, die insbesondere in Staaten gefördert werden, die mit Demokratie und Good Governance nichts am Hut haben. Da die Erzeugung grüner Energie innerhalb Europas durch geographische und infrastrukturelle Grenzen limitiert ist, rücken afrikanische Länder in den Blick..
Afrika wiederum kann von Investitionen profitieren, etwa durch:
- die Schaffung neuer Arbeitsplätze,
- die Wertschöpfung vor Ort,
- einen Ausbau der industriellen Kapazitäten und
- die Nutzung erneuerbarer Energie für lokale Bedürfnisse.
Über 600 Millionen Menschen in Afrika haben noch keinen Zugang zu Elektrizität – Projekte mit industrieller Nachfrage nach grüner Energie könnten daher helfen, durch Skaleneffekte Infrastruktur günstiger aufzubauen. Und Afrikas Bevölkerung wächst stark und zieht in Städte, der Energiebedarf steigt. Klar definierte Strategien können dazu beitragen, dass diese Entwicklung nicht mit Ausbeutung, sondern mit Entwicklung einhergeht.
Worauf afrikanische Staaten achten müssen
Der Bericht formuliert mehrere eindringliche Appelle an afrikanische Regierungen und Entscheidungsträger, zentrale Empfehlungen des Reports sind:
- Fokus auf regionale und lokale Nachfrage, nicht nur auf Exporte.
Afrika sollte bei neuen grünen Energieprojekten sicherstellen, dass ein Teil der Produktion den lokalen und regionalen Märkten zugute kommt, um Energiearmut und De-Industrialisierung zu vermeiden. - Aufbau von lokaler industrieller Wertschöpfung.
Investitionen in erneuerbare Energien und grüne Industrien müssen mit dem Aufbau von afrikanischen Lieferketten, Arbeitsplätzen und Technologie-Transfer gekoppelt sein – nicht nur mit Rohstoffexporten. - Sicherung fairer Partnerschaften mit Europa.
Europa und Afrika sollen auf Wettbewerbs-Interdependenz setzen, nicht auf asymmetrische Beziehungen. Verträge sollen so gestaltet werden, dass beide Seiten Vorteile haben, mit transparenter Governance und langfristiger Stabilität. - Infrastruktur und Finanzierung gezielt stärken.
Ausbau von Stromnetzen, Häfen, Schienen und Speicherlösungen, kombiniert mit Finanzinstrumenten, die Investitionen für afrikanische Staaten erschwinglicher machen. - Politische Stabilität und regulatorische Klarheit schaffen.
Afrikanische Staaten sollten stabile, verlässliche Rahmenbedingungen setzen, damit Projekte nicht nur angekündigt, sondern auch umgesetzt werden können. - Risikoteilung zwischen Afrika und Europa.
Statt dass Afrika nur als Rohstofflieferant auftritt, sollen beide Seiten gemeinsam in Forschung, Pilotprojekte und Marktentwicklung investieren.
Grüne Deals können Diversifizierung der Volkswirtschaften vorantreiben
Eine verstärkte Zusammenarbeit im Bereich der erneuerbaren Energien liegt auf der Hand aus Sicht Europas. Insbesondere die Power der Sonne sind hier unvergleichlich und ermöglichen lokal eine flächendeckende, günstige und natürlich umweltfreundliche Energieversorgung. Überschüssige Kapazitäten zu nutzen, um z.,B. grünen Wasserstoff zu produzieren, ist smart und entzieht Afrika auch keine Ressourcen. Wenn Afrika zur “grünen Tankstelle” Europas wird und nicht mehr nur auf den Export seiner Bodenschätze angewiesen ist, trägt das zur notwendigen Diversifizierung und Entwicklung der Wirtschaften bei.
Das muss auf Augenhöhe passieren, zum gegenseitigen Nutzen von Europa und Afrika. Nur so kann grünes Wachstum zu echtem Fortschritt werden.